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Im Steptanz durch den Stalinismus: Moskau legt sich ein Musical zu

25.03.2002

Frakfurter Allgemeine
In der hoffnungsvollen Einsicht, daß kommerzielle Kultur nicht nur Dekadenz verbreiten, sondern auch patriotische Werte fördern kann, haben zwei Moskauer Liedermacher beschlossen, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden und das profitable Genre des Musical auf russischen Boden zu verpflanzen. Anhand einer patriotisch-melodramatischen sowjetischen Literaturvorlage und Anleihen aus Schlager-, Romanzen- sowie Tanzliedtraditionen haben Georgi Wassiljew und Alexej Iwaschtschenko ein popmusikalisches nationales Selbstporträt zusammengestrickt, das unter dem Titel „Nordost“ allabendlich in einem früheren sowjetischen Kulturpalast in einem Industrieviertel der Hauptstadt zu bewundern ist. Das Sujet, welches nach allen Regeln des Kapitalismus auf vielfältigen Souvenirartikeln vermarktet wird, entstammt Weniamin Kawerins Nachkriegsroman „Zwei Kapitäne“, für den der Autor einst den Stalin-Preis erhielt. Die Geschichte ist ein klassisches kommunistisches Heldenepos, welches mit Sentiment und Tanzturbulenzen vor dem Publikum das zwanzigste Jahrhundert vorbeiziehen läßt. Im Mittelpunkt steht der Revolutionswaisenknabe Sanja, der seine kindliche Redehemmung überwindet und Kampfpilot wird. Mit ihm entwickeln sich, in Folge von kindlichen, jugendlichen und erwachsenen Darstellern verkörpert, ein echter und ein falscher Freund sowie ein geliebtes Mädchen, deren Vater auf einer Polarexpedition umkam. Daran war sein Bruder schuld, der sodann die verwitwete Mutter heiratete, welche sich umbringt, als ihr der treuherzige Sanja mit einem Abschiedsbrief des Arktisfahrers die Augen öffnet. So selbst unschuldig schuldig geworden kann er im Zweiten Weltkrieg bei einer Notlandung im Polareis das gescheiterte Schiff samt seinem tiefgefrorenen Kapitän bergen und wenigstens symbolische Gerechtigkeit herstellen.


Die Produktion besticht durch effektvolle Bühnentechnik. Zunächst fährt eine Straßenbahn auf die Bühne, später ein Eisenbahnzug, schließlich landet ein ausgewachsenes Flugzeug, und unter dem beweglichen Bühnenboden wird ein ganzes Schiff sichtbar, was neben einer bilddramatischen Steigerung auch die wachsende Industriemacht der Sowjetunion vor Augen führt. Die musiktheatralische Passage durch Bürgerkrieg, Neue Ökonomische Politik, relative Friedens- und Kriegszeiten vergegenwärtigen zu schmissigen Rhythmen vor allem Ensembletänze, die temperamentvolle Jazz- und Stepbewegungen in proletarischen, aber pittoresken sowjetischen Kostümen vortragen und so die totalitäre Historie in mitreißende Wirbeltänze übersetzen. Massenkulturelle Verharmlosung statt Aufarbeitung ihrer Geschichte ist das, wozu die russische Gesellschaft fähig ist, weshalb der kommerzielle Erfolg beim einheimischen Publikum gesichert scheint. Die Produzenten möchten jedoch auch nach dem Vorbild westlicher Musical-Dauerbrenner ausländische Touristen anziehen. Freilich kann der von einem ganzen Live-Orchester vorgetragene Musik-Mischmasch mit keinen zündenden Melodien aufwarten, auch lassen die Gesangskünste der Solisten zu wünschen übrig, von den allzu schematischen Bühnencharakteren ganz zu schweigen. Ein liebenswert provinzieller Amateur-Charme ist dafür eine schwache Entschädigung.

KERSTIN HOLM